REICHEN


Die Gemeinde Reichen im ehemaligen Gerichtsbezirk Bensen bestand aus der Ortschaft Reichen und dem einschichtigen Ortsteil Klein-Zinken. Vor dem Ersten Weltkrieg galt auch die aus zwei Häusern bestehende Einschicht „Weigl” im amtlichen Gebrauch als eigener Ortsteil. Die Gesamtfläche der Gemeinde betrug 687 ha. Das Gemeindegebiet liegt auf der Reichen-Munkerer Hochebene zwischen 450 m und 680 m Meereshöhe. Zu gut 80 % wurde das Gebiet landwirtschaftlich genutzt, auf Waldflächen entfielen 13 %. Die Böden bestehen gegen Süden aus einem Gemisch von Lehm und Sand, das sehr steinig ist und gegen Nordosten aus einem Gemisch von Lehm und Letten, das zwar sehr fruchtbar, aber schwer zu bearbeiten ist. Bis 1945 war Reichen rein agrarisch geblieben, denn 40 % der Bevölkerung lebten von der Land- und Forstwirtschaft. 43 % gehörten zu Industrie und Handwerk und 6 % der Einwohnerschaft war im Bereich Handel und Verkehr tätig.  

Die Pfarrei Reichen dürfte im 13. Jahrhundert gegründet worden sein. Ab 1621 war Reichen eine Filialkirche von Wernstadt und wurde erst 1787 wieder selbständig. Seit jeher gehörten die Orte Biebersdorf mit Groß-Zinken und Blankersdorf sowie später auch Klein-Zinken zum Pfarrsprengel. Die Matriken sind seit 1784 erhalten, ältere Eintragungen finden sich in den Wernstädter Matriken ab 1669. Die Pfarrkirche St. Bartholomäus wurde 1713 auf Veranlassung der Kirchenpatronin Fürstin Wilhelmine von Lobkowitz in einfachem Barock neu erbaut. Die seit 1945 verfallende Kirche wurde 1975 abgerissen. Seit 1792 gab es auch eine Kapelle im Ort.  

Früher bestand in Reichen ein altes Erbgericht, vermutlich im „Weigelhof” Nr.16, der östlich von Ober-Reichen etwas abseits in Richtung Wernstadt stand. Dieses große Bauerngut war ursprünglich der Freihof des Ortes, von diesem Bauernhof stammt ein Großteil der Weigel- und Weigl-Familien der ganzen Umgebung ab. Vom 18. Jahrhundert bis 1849 war das Ortsgericht beim Hof Nr. 1 (Palme). Das Marktrecht erhielt Reichen 1803. Das Wappen von Reichen, das im Siegel des Bürgermeisters geführt wurde, stellt auf rotem Grund einen von rechts nach links schreitenden weißen doppelschwänzigen Löwen dar, welcher ein Schwert senkrecht in den Pranken hält.  

Reichen ist eine deutsche Rodungssiedlung mit zweireihiger Waldhufenanlage aus der Blütezeit des Landausbaus Mitte des 13. Jahrhunderts. Nicht ganz auszuschließen ist, dass neben den deutschen auch einige Siedler slawischer Herkunft aus Innerböhmen mit angesetzt worden waren. Einzelne der ältesten überlieferten Familiennamen aus dem Reichener Grundbuch von 1590 bis 1614 scheinen darauf hinzuweisen – so Rozyk, Grycyl, Sehak und Wondra. Es könnten aber auch tschechische Siedler gewesen sein, die von der Grundherrschaft Liebeschitz oder Drahobus auf frei gewordene Bauernstellen in Reichen angesetzt worden waren. Sie kommen nach dem Dreißigjährigen Krieg nicht mehr vor. Der Ortsname Reichen dürfte aus „Reichenau” entstanden sein, wie die ältesten lateinisch und tschechisch geschriebenen Urkunden erkennen lassen („Richnow”). Die älteste bekannte Nennung stammt aus den Papstzehentregistern aus den Jahren 1352 bis 1405, in denen es „Rychnov” und „Richnow” geschrieben wurde. Der älteste überlieferte Familienname ist der des Richters Peter Neumann, der von 1576 bis 1579 im Amt war. In dem tschechisch geführten Grundbuch aus den Jahren 1590 bis 1614 sind die Familiennamen Richter, Wagner, Hartig, Hortig, Harnisch, Weigel, Burghart, Hoffmann, Kunz, Stor, Vohri, Wurm, Neumann und Watzel zu finden.  

1654 gab es in Reichen 21 Bauern, 14 Gärtner und 10 Häusler, also insgesamt 45 Häuser. 1713 waren es schon 56 Häuser. Die Namen der Bauern zu dieser Zeit lauteten Weigel bzw. Weigl, Wagner, Richter, Janda, Fohri bzw. Vohri, Hartig bzw. Hortig, Worm, Arnold, Neumann, Pohlig und Ullrich. 1787 hatte „Reichen, sonst auch Reichenau genannt” bereits 146 Häuser. 1833 standen 171 Häuser, in denen 1.016 Einwohner lebten. 1869 wurden 1.106 und 1890 noch 1.001 deutsche Einwohner gezählt. Infolge der Industrieferne und ungünstigen Verkehrslage war der Bevölkerungsstand bis 1939 auf 790 Personen gesunken. Die häufigsten Familiennamen waren 1934 Weigel, Richter, Wagner, Hortig, Neumann, John, Jande, Fohry, Eckert, Heller, Hanke, Gaube, Kaulfuß, Philipp, Pöhlig und Schicktanz.  

Koschtitz - eine Tochtersiedlung von Reichen
Koschtitz bei Laun, an dessen Gut 1626 Reichen gekommen war, hatte um 1650 durch eine Epidemie den größten Teil seiner Einwohner verloren. Auf Veranlassung der Herrschaft wurden die leerstehenden Hofstellen und Häuser vorwiegend von Reichen aus neu besetzt. 1833 sprachen die 367 Einwohner „teils Teutsch und teils Böhmisch”. Bei der Volkszählung von 1910 hatte die Gemeinde Koschtitz ausschließliche tschechische Einwohner.

Die heutigen Ortschaften Rychnov (= Reichen) und Rytířov (= Rittersdorf) gehören nun zusammen mit den Ortschaften Příbram (= Biebersdorf), Časlav (= Tschiaschel) und Loučky (= Schönau) zur politischen Gemeinden Verneřice (= Wernstadt). 1961 hatte Rychnov 178 und Rytířov 31 Einwohner.

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